Das
Leiden Christi hörbar gemacht
Das Wort Passion entstammt dem lateinischen „passio“ und
bezeichnet im kirchlichen Kontext das Leiden Jesu Christi vom letzten
Abendmahl bis zur Kreuzigung.
In
der Markus-Passion des Komponisten Reinhard Keiser (1674-1739), die
am Palmsonntag in der gut besuchten Laurentiuskirche in
Fränkisch-Crumbach aufgeführt wurde, ist
der unveränderte Bibeltext nach dem Evangelisten Markus in
Rezitativen und Chören vertont. Unter der Leitung vom
Kirchenmusiker des Dekanats, Ulrich Kuhn, brachten die Kantorei des
Dekanats Reinheim mit vier Solisten und einem Orchester das
Passionsoratorium in beindruckend einfühlsamer und präziser
Darbietung zu Gehör.
Der
Einganstext „Jesus Christus ist um unsrer Sünden willen
zerschlagen...auf dass wir Friede hätten“ kam chorisch
kraftvoll, in der Instrumentalbegleitung leicht und bereits
hoffnungsfroh umgesetzt, daher.
Die
Solisten Thorsten Klingelhöfer und Jan Fischer zeigten sich als
hervorragende Interpreten der Rezitative; in dieser Form des
„Sprechgesangs“ drücken sich zumeist der Erzähler oder
Evangelist des Oratoriums aus. Expressiv, sich stellenweise
dramatisch steigernd, besang Thorsten Klingelhöfer mit seiner
deutlichen Tenorstimme die Verspottung Jesu durch die Hohen Priester.
Der geschmeidige Bass von Jan Fischer als Jesus ließ die
Verzweiflung und das gleichzeitige Wissen um die unausweichliche
Erfüllung seines Schicksals eindrucksvoll hör- und spürbar
werden.
Eine
Besonderheit dieses Oratoriums liegt in der erstmaligen Begleitung
der Jesus-Rezitative durch Streicher; diese Praxis übernahm
Johann Sebastian Bach später in seiner Matthäuspassion.
Eindringlich
und klagend umschrieb Ruth Schwachhöfer mit ihrem hellen Sopran
„Golgatha, den Platz herber Schmerzen“, während Gabriele
Weber mit trefflicher Altstimme bewegt die Fassungslosigkeit
angesichts der Marter des „Auserwählten“ zum Ausdruck
brachte.
Aus
den Chorreihen heraus erklang die Stimme von Klaus von Böttichen,
der kurzfristig die Passagen des Petrus und Pilatus übernommen
hatte.
Ein
dynamischer Kantoreichor trat zum einen auf als fordernde
Volkesstimme mit Rufen wie „Kreuzige ihn“. Zum anderen stellte er
das besinnliche Element der Handlung mit eingebauten Chorälen
dar, wie beispielsweise mit dem schwermütigen „So gehst du nun
mein Jesus hin, den Tod für mich zu leiden“. Auch die als
„Sinfonia“ (italienisch „Zusammenklang“) bezeichneten
instrumentalen Zwischenstücke erwiesen sich als gedankliche und
musikalische Ruhepunkte im Laufe der sich überstürzenden
Ereignisse, gespielt vom siebenköpfigen Orchester mit Wolfgang
Zybell und Gabriele Worsischeck (Violine), Christina Rill und Marion
Schröder (Viola), Claudia Rieder (Violoncello), Stefanie Lange
(Kontrabass) und Alexander Meyer (Orgelcontinuo).
Die
kommentierenden und betrachtenden Texte, die anrührende
Melodieführung der klanglich wunderschöne Arien und die
schlichten Choräle haben die Markus-Passion von Anfang an zu
einem äußerst populären Werk gemacht. Der
mittlerweile wieder entdeckte Komponist Reinhard Keiser, „Thomaner“,
Operndirektor und Domkantor in Hamburg; galt als einer der
renommiertesten Komponisten seiner Zeit. Johann Sebastian Bach
hat das Werk mehrere Male in Leipzig aufgeführt, und in seiner
eigenen Passions-Tonsprache sind einige Spuren davon zu erkennen.
Reinhard
Keisers Musik hat die Menschen stets berührt und beeinflusst.
Und so hielt die große Zuhörergemeinde auch eine dem
Inhalt des Werkes angemessene Zeit der Stille nach dem Verklingen des
Schlussakkords ein, um anschließend mit anhaltendem Applaus für
diese faszinierende Darstellung des Osterevangeliums zu
danken. Sabine Koch
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